Das Messie Syndrom – Wenn die Haushaltsauflösung zur Erlösung wird
Es wird viel darüber berichtet, aber niemand kennt so wirklich jemanden, der an der rein psychologischen Krankheit des Messie Syndroms leidet. Der medizinische Fachausdruck für dieses Phänomen lautet „pathologisches Horten“ und steht für eine zwangsweise Anhortung von nützlichen und vor allem weniger nützlichen Dingen und dem fehlenden Vermögen sich von Dingen zu trennen und auszusortieren.
Damit einher gehen eine katastrophale Unordnung in der eigenen Wohnung / im eigenen Haus, eine Beeinträchtigung des sozialen Umfeldes und ein von außen kaum erkennbarer Leidensdruck des Betroffenen. Oftmals werden ganz normale Arbeitstätigkeiten aufgenommen und keinem Menschen im sozialen Umfeld fällt etwas auf.
Fallbeispiel:
So wurde von einem 40 Jahre alten Mieter in Hannover (Hubert P., Name von der Redaktion geändert) berichtet, der einen 40 Std. Job bei einem Hannoveraner Autozulieferer nachging und in seinem sozialen Umfeld sehr aktiv und angesehen war. Keinem seiner Freunde ist zuvor etwas aufgefallen. Im Innern sah das Leben allerdings anders aus.
Als er eines Tages unentschuldigt seinem Beruf nicht mehr nachging und Telefonisch niemand erreicht werden konnte, wurde schließlich die Kündigung seitens der Hausverwaltung ausgesprochen. Als dann auch die Miete nicht mehr gezahlt wurde, kam es zur Zwangsräumung mit anschließender Haushaltsauflösung, bei der das ganze Ausmaß eines Messie Lebens zum Vorschein kam.
Hubert P. Hat dem Leidensdruck letztendlich nicht mehr standgehalten und sich selber das Leben genommen. Nach Aussagen der zuständigen Hausverwaltung der HGM-Hannover war die Haushaltsauflösung in dieser Form einmalig und vom Aufwand her mit keiner anderen Auflösung vergleichbar. Berichten zu Folge türmten sich Müll, Zeitschriften, Kartons, Technikteil und Schrott Meterhoch. Lediglich kleine Gänge zum Bett, zur Toilette und zum Kühlschrank waren begehbar. 95% aller Gegenstände waren für den Müll bestimmt und hätten längst den Weg auf die Müllkippe finden sollen, als in einer Mietimmobilie gehortet werden sollen.
Das Messie Syndrom aus psychologischer und neuropsychologischer Sicht
Bis heute hat allerdings die Medizin das Krankheitsbild des „Messies“ nicht als eigenständiges Krankheitsbild anerkannt, jedoch bestätigt, dass es sich um ein ausgeprägtes Zwangsverhalten (Zwangsstörung) handelt. Da diese rein psychologische Krankheit in den wenigsten Fällen erkennbar oder bekannt ist, fehlen aussagefähige Statistiken über das Ausmaß dieser Krankheit. Hochrechnungen zu Folge sind allerdings ca. 6% der deutschen Bevölkerung als „Messie“ einzustufen oder zeigen zwanghaftes Verhalten des Hortens von Gegenständen.
In vielen Fällen ist das klinisch-psychologische Messie Syndrom eine Folge eines ganz bestimmten prägenden Ereignisses in der Vergangenheit des Betroffenen. Menschen, die schon immer einen Hang zum Sammeln hatten, sind eher von dieser Krankheit betroffen als andere.
Aber vor allem tragische Ereignisse wie der Verlust eines geliebten Menschen oder eine Traumatisierung in der Kindheit können Auslöser dieses Symptoms sein, welches in fortgeschrittener Ausprägung zu einem nicht mehr lebensfähigen Leben führt.
Neurologen sprechen von einer zwanghaften emotionalen Bindung an Besitztümer, die durch eine fehlende oder verlorene Bindung an einer sehr eng verbundenen Person hervorgerufen wurde. Daraus resultiert dann eine Art „Vermeidungsverhalten“ in der Form, dass Gegenstände, die an die Person erinnern nicht weggeworfen werden. Das Phänomen projeziert sich dann im Laufe der Zeit auf beliebig viele andere Besitztümer. Ein „Entsorgen“ wird zu einer Bedrohung und wird somit unterlassen. Dinge zu behalten wird als Sicherheit eingestuft und forciert.
Behandlungsformen des Messie Syndroms
Ein Messie Syndrom kann nur innerhalb eines psychologisch-therapeutischen Gesamtkonzeptes behandelt werden. Je nachdem welche Ursache für die Krankheit ausgemacht wurde, werden Antidepressiva, Neuroleptika oder Antidementiva verabreicht, die begleitend mit einer umfassenden Psychotherapie eingesetzt werden.
Ziel ist es dabei immer dem Patienten eine gesunde Ordnung beizubringen und das Lösen von Ängsten und Zwängen. Das Loslassen ist das häufigste Problem eines Messies. Auch ist nicht bei allen Formen medizinische Hilfe erforderlich. Ein psychologisches Coaching kann dabei helfen den Erkrankten in Form einer Selbsthilfetherapie von den Zwängen zu befreien und wieder ein geordnetes Leben zu führen.
Quellen:
- http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/20336805 - Hoarding Disorder
- http://www.aerzteblatt.de/archiv/33777/